Ein Abend rund um George R.R. Martin und Game of Thrones in Bielefeld (04.06.2013)

[Juni 2013]

„Game of Thrones“, ist eine Fernsehserie des US-Amerikanischen Senders HBO, die weltweit ein großes Publikum erreicht hat. Sie basiert auf der Buchreihe „A Song of Ice and Fire“ von George R.R. Martin. Im „Lied von Eis und Feuer“ wird eine epische Geschichte erzählt, die ihren Mittelpunkt auf dem fiktiven Kontinent „Westeros“ hat. GRRM hat eine Welt erschaffen, die sich an unser Mittelalter anlehnt, typische Elemente von fantastischer Literatur wurden zwar sparsam, aber gekonnt eingefügt.

Fünf von geplanten sieben Büchern sind bisher erschienen, der sechste Band „The Winds of Winter“ ist in Arbeit. Gerade wurde in den USA die letzte Folge der dritten Staffel der TV-Serie „Game of Thrones“ ausgestrahlt, die hauptsächlich die erste Hälfte des dritten Buchs („A Storm of Swords“) behandelt.

Ein Sprichwort in Westeros besagt, dass dunkle Schwingen, dunkle Worte bringen(frei übersetzt), was sich auf die Raben bezieht, die in dieser Welt die Arbeit von Brieftauben übernehmen. Ein dunkel gefiederter digitaler Bote berichtete mir davon, dass ein Hauch von Eis und Feuer durch Bielefeld wehen sollte, und sorgte so für ein großes Aufhellen und keine Verdunkelung meiner Laune.

Ich erfuhr von einer Veranstaltung, bei der sich alles um George R.R. Martin (GRRM) drehen sollte. Ohne Zögern beschaffte ich mir ein Ticket.

Drei Männer hatten sich auf Tour durch Deutschland begeben, um von Werk und Leben des Bestseller-Autors zu berichten, was dazu führte, dass sie am 4. Juni auch in einer großen Buchhandlung in Bielefelds Mitte landeten.

Die Zusammenstellung des Trios ist kein Zufall. Jeder Einzelne hat einen bestimmten Part in der Veranstaltung. Auf verschiedene Arten haben sie Bezugspunkte zu GRRM in ihrer Vergangenheit.

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In diesem Konzept übernimmt Denis Scheck die Rolle des Moderators. Er ist einer der bekanntesten Literaturkritiker Deutschlands, was insbesondere an seiner Fernsehsendung „Druckfrisch“ liegt, die 2011 den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie „Besondere Leistung“ erhielt.

Im Rahmen dieser Sendung konnte er GRRM interviewen. Das Lied von Eis und Feuer hielt dem kritischem Blick Schecks stand und wurde von ihm hochgelobt.

Als wahrer „GRRM-Insider“ fungiert Werner Fuchs. Der Verleger und Herausgeber ist mit dem Autor vertraut und befreundet, als Literaturagent betreut er ihn schon lange, lange auch vor dem Welterfolg vom „Lied von Eis und Feuer“. Fuchs begann schon 1971 Sciencefiction und Fantasy Werke auf den Markt zu bringen und leistete später Pionierarbeit im Rollenspielbereich.

Dritter, aber nicht letzter in dieser Runde, ist Tom Wlaschiha, der in der zweiten Staffel von Game of Thrones, die Rolle von Jaqen H’ghar übernahm. Mit gekonntem Einsatz von Mimik und Stimme und einer eindrucksvollen Bildschirmpräsenz, gelang es ihm „einen Mann“ in herausstechender Weise vom Papier auf den Bildschirm zu bringen.

Der ganze vordere Bereich des gastgebenden Geschäfts, vor der extra errichteten Bühne, auf der drei Mikrofone auf die drei Sprecher warten, ist prall gefüllt. Jeder Sitzplatz ist besetzt. Mit meinem großen Interesse an dieser Veranstaltung bin ich nicht allein. Fuchs, Scheck und Wlaschiha nehmen Platz – ein unterhaltsamer und inspirierender Abend beginnt und nimmt seinen Lauf.

Am Ende werden viele gedacht haben, dass die Veranstaltung zu früh endete und doch fällt es schwer, bestimmte Anekdoten der Anwesenden Lesenden und Berichtenden, bestimmte Ausschnitte dieses Abends, für diesen Bericht herauszustellen, ohne den Rahmen von wenigen Seiten zu sprengen.

Die Meisten sind an diesem Abend wahrscheinlich wegen Wlaschiha gekommen. Sympathisch und entspannt erzählt der Schauspieler über seine Erfahrungen bei den Dreharbeiten der Serie, aber auch über seinen Werdegang. Zum Casting sei er eingeladen worden, als er sich, in einer Zeit in der er „eigentlich jeden Tag nur darauf wartete, dass das Café öffnete“, einer Phase des Durschreitens eines beruflichen Tals, mit einem zu Hause aufgenommenen Video bewarb, auf dem er Text von der Figur Jaqen H’Ghar vortrug, den er von seinem Agenten erhalten hatte, ohne etwas über das Projekt zu wissen, oder sich Erfolgschancen auszurechnen. Auf Nachfragen zu den Dreharbeiten, zeigt er sich fasziniert von der schieren Größe der HBO Produktion und den Möglichkeiten, die das riesige Budget dieser Serie her gab. Die Zuschauer gieren natürlich nach Anekdoten, die beschreiben wie er mit Stars der Serie zusammentraf. Wlaschiha, der, bezogen auf die Hauptcharaktere von GOT, nur mit Maisie Williams drehte, welche die Figur „Arya Stark“verkörpert, kann über diese nur Gutes berichten. Er zeigt sich beeindruckt von der Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit der Nachwuchsdarstellerin vor der Kamera.

Als er aus einem der „Arya“ Kapitel aus der deutschen Fassung von „A Clash of Kings“ vorliest, gelingt es ihm sehr gut einen in die Welt Martins eintauchen zu lassen, und auch die deutsche Neuübersetzung weißt einen guten Stil auf, welcher der englischen Originalfassung ziemlich gerecht wird. Die kleinen Unebenheiten und Fehler, insbesondere in der Übersetzung von Namen, der deutschen Version tauchen hier nicht auf, oder gehen einfach im prägnanten Sprachfluss von Wlaschiha unter, der natürlich an den Stellen am Besten ist, wo er mit demselben Stimmeinsatz wie in der Fernsehserie, „seinen“ Charakter Jaqen H’ghar spricht.

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Denis Scheck ist der routinierte Spielmacher, der die Bälle an seine Mitstreiter verteilt, der aber, was nicht überraschend ist, wenn man ihn vom Bildschirm her kennt, auch selber punktet. Ein kleiner gekonnter Verriss (Paradedisziplin!) eines aktuellen Spiegelartikels, in dem Fantasy-Literatur generell herab gewürdigt wurde, schüttelt er, zum warm werden, aus dem Ärmel und kann neben der Moderation daraufhin, auch davon berichten, wie er GRRM, im Rahmen seiner Sendung „Druckfrisch“ treffen konnte. GRRMs Haus in Santa Fe beherbergte 12.000 Miniatur Ritter, die sich alle in Vitrinen präsentierten, die ein mulmiges Gefühl bei Scheck hervorriefen. Ansonsten empfand er es offensichtlich als angenehm. Er „verscheckt“ sich mehrmals und prägt unfreiwillig die Titel-Mixtur „A Game of Ice and Fire“, was für leises Gelächter und Verwunderung sorgt – bei dem konstant hochwertigen Sprachgebrauch von Herrn Scheck, fällt solch ein Fauxpas natürlich noch schwerer ins humoristische Gewicht.Werner Fuchs und Scheck kennen sich schon lange, sie waren eine Zeit lang sogar Konkurrenten, als Scheck sich eine gewisse Zeit auch als Literaturagent betätigte – einmal hat er sogar ein Getränk von Fuchs Geschäftspartner über den Kopf geschüttet bekommen, wenn ich das richtig verstanden habe. In diesem Jahrzehnt, auf dieser Tour, an diesem Abend aber, verstehen sie sich und harmonieren blendend.

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Fuchs hat einen großen Fundus von unterhaltsamen Erinnerungen, die sich aus der Freundschaft mit GRRM ergeben. Das ist für die Leser natürlich interessant, er kennt die schillernde Figur mit dem wohlbeleibten Körper schon lange, und betreute ihn als Literaturagent schon, als der ganz große Erfolg noch nicht abzusehen war.

Das Leben von GRRM allein würde sicherlich auch einen sehr amüsanten und interessanten Buchstoff hergeben und die Erzählungen von Werner Fuchs könnten allein viele Seiten füllen, aber das würde jetzt den Rahmen dieses kurzen Berichts sprengen.

Also gebe ich nur eine kleine Geschichte in Grundzügen wieder. Fuchs und eine Kollegin betreuten GRRM auf einer Deutschlandreise inklusive Buchmessen und anderen Verpflichtungen – die ASOIAF Serie ist noch nicht in Arbeit. Neben den ganzen Terminen, die wahrgenommen werden müssen, besteht der Autor darauf, Burgen und alte Festungen anzusteuern, welche die Landkarte von Deutschland reichlich ihr eigen nennen kann. Zahlreiche Gemäuer wurden angefahren, bevor es am Ende zum Besuch des unvermeidlichen Neuschwansteins kommt. Bei der Besteigung einer anderen Festung, einem besonders steilen Mittelalterszeitzeugen, bot sich dann folgendes Bild, das ich mir herrlich vorstellen kann: Fuchs und Kollegin erklimmen die Höhenmeter zu Fuß und der rundliche Enthusiast des dunklen Zeitalters folgt in einem Pferdekarren – ein König der Worte durchfährt die Turmbögen – der Hofstaat läuft. Ein Schwergewicht der Literatur erobert auf diese Weise seine Inspiration, schwer da nicht zu schmunzeln.

Hat man von so einer Veranstaltung mit so vielfältigen Eindrücken, wie an diesem Abend, keine Ton- oder Bildaufnahme oder eine Mitschrift, dann können sich natürlich Details verflüchtigen, oder sich in Regionen der Erinnerung festsetzen, die eher für die Langzeit zuständig sind. Für mich war der Abend ein kulturelles Highlight, eine Huldigung an einen sehr bewunderten Autor. Dazu ergab sich die Möglichkeit drei sehr interessanten Persönlichkeiten zuhören zu dürfen. Ich war begeistert und wollte dies auf diese Art wenigstens ansatzweise teilen.

Für mich als Fan, gilt es jetzt Geduld zu haben, bis das sechste Buch der Reihe „The Winds of Winter“ erscheint. Werner Fuchs fachte die Hoffnung an, dass dieses Mal deutlich weniger Zeit verstreichen wird, als zwischen dem vierten und fünftem Band, doch leider scheint mir auch die übergroße Übertreibung von Denis Scheck, dass wir Leser sehr gesund leben müssten, um die Veröffentlichung des nächsten Buches noch zu erleben, gefühlsmäßig nicht ganz aus der Luft gegriffen.

„Winter is coming“ – aber die Winde des Winters kommen erst dann, wenn sie fertig sind, sagt George R.R. Martin.Wie lange das ist, weiß nur er – ich weiß, dass ich an den Abend, den ich gerade beschrieben habe, sehr reichhaltige Erinnerungen habe und noch lange haben werde.

Fotos (c): Christoph Sturm

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